Hohenloher Leben

Mit Lichtmess beginnt das Bauernjahr

Dass der Wechsel der Dienststelle mit viel Zuversicht begleitet und tüchtig gefeiert wurde, legt auch unser Foto nahe. Die Aufnahme aus dem bayerischen Sondheim im Grabfeld entstand wohl um das Jahr 1920. Sie zeigt die Jugend des Dorfes, die einen Knecht zu seinem neuen Dienstherrn begleitet, „wobei natürlich das Fässchen Bier auf dem Wagen nicht fehlen durfte“. Das schreibt der Heimatforscher Reinhold Albert, der uns das Foto zur Verfügung gestellt hat

Bauern

Den Begriff Lichtmess kennen die meisten, wenn überhaupt, von alten Bauernregeln: „Ist‘s zu Lichtmess mild und rein, wird‘s ein langer Winter sein.“ Einst war Lichtmess, der 2. Februar, einer der wichtigsten Tage im Bauernjahr, ja, er markierte dessen Beginn.

Mit Mariä Lichtmess am 2. Februar endet die Vorsetz und geht nach 40 Tagen die Weihnachtszeit offiziell zu Ende. In Bayern war Mariä Lichtmess bis zum Jahr 1912 sogar offizieller Feiertag. Die letzten Krippen werden abgebaut, noch verbliebene Christbäume aus Kirchen und Häusern geräumt. Der 2. Februar setzt außerdem den Schlusspunkt der dunklen Zeit, die mit Allerseelen (2. November) begonnen hat. Traditionell werden mancherorts noch heute Kerzen für den Jahresbedarf geweiht.

Bis zum Zweiten Weltkrieg bedeutete Lichtmess eine Zäsur im Bauernjahr: So durfte bis zu diesem Tag auf den Höfen nicht mehr als die Hälfte der Nahrungs- und Futtervorräte verbraucht sein. Die Knechte mussten die Strohbänder für das Binden der Getreidegarben fertiggestellt, die Bäuerin und die Mägde Flachs und Schafwolle fertig gesponnen haben. So ist es in der Bauernregel überliefert: „Lichtmeß bei Tag ess und bei Nacht Spindel vergess“.

„Lichtmeß bei Tag ess und bei Nacht Spindel vergess“

Bauernregel

Für Knechte und Mägde begann an Lichtmess das neue Dienstjahr. Wie aber sah deren Leben aus? Eine Vorstellung vermittelt der Dienstmiet-Vertrag des Knechts Michael Reingruber aus Forst, Oberamt Gerabronn, mit dem Langenburger Christian Löchner, datiert auf 2. Februar 1884. Das Dienstbotenbuch der Schmiedefamilie Löchner für die Jahre 1884 bis 1925 wird im Hohenloher Freilandmuseum aufbewahrt.

Dienstmiet-Vertrag des Knechts Michael Reingruber aus Forst, Oberamt Gerabronn, mit dem Langenburger Christian Löchner, datiert auf 2. Februar 1884.

Der Vordruck befasst sich fast ausschließlich und sehr detailliert mit den beiderseitigen Gründen für die Kündigung des Dienstes, der dem Knecht bei „freier Kost und Wohnung“ einen Lohn von 140 Mark zubilligte – pro Jahr wohlgemerkt, wöchentliche oder monatliche Gehaltszahlung war unbekannt. Zusatzleistungen, „Haftgeld“ genannt, und „Kleider“ standen Reingruber demzufolge nicht zu – diese Positionen sind in dem Dokument gestrichen.

Gefordert wird freilich bedingungslose Unterwerfung: „Der Dienstbote ist zu jeder Verrichtung in der Haus- und Feldwirthschaft verpflichtet und kann daraus, daß er zu der einen mehr, zu der anderen weniger verwendet wird, keinen Austrittsgrund ableiten.“ Zudem heißt es: „Werden einzelne Tage grundlos versäumt, so ist ein im Verhältniß zum Lohn sich berechnender doppelter Taglohn in Abzug zu bringen.“

Hans Schmid berichtet in dem Band „Mägde. Knechte. Landarbeiter“ zur gleichnamigen Ausstellung im Hohenloher Freilandmuseum: „Der Wechsel des Dienstpersonals erfolgte in dieser Region an Lichtmess, dem 2. Februar. Wie von den Handwerksgesellen hieß es auch von den Mägden und Knechten, dass sie an diesem Tag ,wandern‘. Zum Abschied erhielten sie als Wegzehrung den sogenannten Wander- oder Wenzellaib, aus hellem Dinkelkorn gebacken.“

Nach der Entlohnung hatten die Dienstleute einige Tage arbeitsfrei. Die Schlenkeltage genannte Zeit – eine Art Jahresurlaub für Mägde und Knechte – begann am Tag nach Lichtmess und dauerte längstens bis Sankt Agatha am 5. Februar. Nach einer wenig schmeichelhaften Beschreibung des Gesindes („häufig verdorben, übermüthig und trotzig“) heißt es in der „Beschreibung des Oberamts Hall“ aus dem Jahr 1847: „An Lichtmeß ist alsdann große Gesindewanderung, wobei mancher Knecht bis zum nächsten Ort drei bis vier Tage unterwegs bleibt und den letzten Heller durch zwei geliebte Gurgeln jagt.“

Dass der Wechsel der Dienststelle mit viel Zuversicht begleitet und tüchtig gefeiert wurde, legt auch unser Foto nahe. Die Aufnahme aus dem bayerischen Sondheim im Grabfeld entstand wohl um das Jahr 1920. Sie zeigt die Jugend des Dorfes, die einen Knecht zu seinem neuen Dienstherrn begleitet, „wobei natürlich das Fässchen Bier auf dem Wagen nicht fehlen durfte“. Das schreibt der Heimatforscher Reinhold Albert, der uns das Foto zur Verfügung gestellt hat (www.reinhold-albert.de).

Die Bedeutung von Lichtmess ist auch an den altern Bauernregeln abzulesen:

„Lichtmess im Klee,
Ostern im Schnee.“

„Ist‘s zu Lichtmess mild und rein
wird‘s ein langer Winter sein.“

„Wenn‘s an Lichtmess stürmt und schneit,
ist der Frühling nicht mehr weit;
ist es aber klar und hell,
kommt der Lenz wohl nicht so schnell.“

„Gibt‘s an Lichtmess Sonnenschein,
wird‘s ein spätes Frühjahr sein.“

Hohenloher Bauerntag: Seit 2016 veranstaltet die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall alljährlich zu Lichtmess den Hohenloher Bauerntag mit prominenten Rednern. Im vergangenen Jahr war der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Gast. Corona bedingt muss die Veranstaltung in diesem Jahr ausfallen.